Thomas Mann (1875 – 1955)
[Schriftsteller]
Buch: Deutsche Hörer! [2025].

 (ABSCHLUSSVERANSTALTUNG: Sonntag, 31. August 2025 / Beginn: 18.30 Uhr / Einlass: 18.00 Uhr — Ort: AQUA MAGICA-Park)

 

»[Es gibt] bei Thomas Mann ein Ernstnehmen unserer Sehnsucht nach Einverständnis; Einverständnis mit uns selbst,
aber auch Einverständnis mit der Welt, wie sie nun mal ist. Es ist jenes Einverständnis, das uns hilft zu leben.
Aus der Lektüre der meisten Texte dieses Autors gehen wir innerlich gestärkt hervor.«
[Tilman Krause über Thomas Mann in der Literarischen Welt]

 

Neben Goethe gilt Thomas Mann wohl als der deutsche Schriftsteller schlechthin. Was merkwürdig ist, da beide einer Idee der Weltliteratur und des Weltbürgertums anhingen. Hierzu passt dann aber die Tatsache, dass beide nach wie vor weltweit die bekanntesten deutschen Schriftsteller sind. In diesem Jahr wird nun der 150. Geburtstag von Thomas Mann gefeiert. Anlass genug, diesen wichtigen Autor auch bei den »Poetischen Quellen« zu würdigen.

Mann, der 1875 in eine Lübecker Kaufmannsfamilie hineingeboren wird und sein ganzes Leben in materieller Unabhängigkeit verbringen konnte, begann schon in jungen Jahren eine erfolgreiche Schriftstellerkarriere, immer auch in Konkurrenz zu seinem älteren Bruder Heinrich Mann, ebenfalls ein sehr erfolgreicher Autor. Thomas Manns erster Roman Buddenbrooks erschien 1901. Und obwohl 1924 mit Der Zauberberg sein wohl auch heute noch berühmteste Roman veröffentlicht wurde, erhielt Thomas Mann 1929 den Literaturnobelpries für die Buddenbrooks. Der Preis machte ihn auf einen Schlag weltberühmt und bestätigte seinen internationalen Rang.

Mann, der seit 1894 in München wohnte, entwickelte sich von einem Anhänger der Monarchie im Verlauf der Weimarer Republik immer mehr zu einem Demokraten und zu einem engagierten Gegner gegenüber dem Nationalsozialismus. Da sich deshalb die Anfeindungen gegen ihn häuften, übersiedelte er 1933 in die Schweiz, wo er neben Albert Einstein als einer der berühmtesten Emigranten galt.

Im Jahr 1934 unternahm Thomas Mann mit seiner Frau Katia die erste transatlantische Seereise in die USA. Sie folgten damit einer Einladung des US-amerikanischen Verlegers Alfred Knopf nach New York, um dort mit zahlreichen Feierlichkeiten und Lesungen Thomas Manns 59. Geburtstag zu begehen. Diese Seereise inspirierte Thomas Mann zu der wunderbaren kleinen Erzählung Meerfahrt mit Don Quijote. Einigen Formulierungen und Sätzen merkt man hier schon Thomas Manns inneres Aufbegehren gegen die immer regressivere Politik in Nazi-Deutschland an: »Freiheit gewinnt erst wert, sie wird erst rangverleihend, wenn sie der Unfreiheit abgewonnen wird, wenn sie Befreiung ist«, heißt es darin.

1936 wurde Thomas Mann schließlich die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt. Zwei Jahre später, 1938, emigrierte er von der Schweiz in die USA, wo er den amerikanischen Journalisten, die ihn in New York erwarteten, stolz verkündete: »Wo ich bin, ist Deutschland.«

»Es ist notwendig, für die Deutschen drinnen,
und für uns Vertreter des geistigen Deutschland draußen,
dass wir die Verbindung miteinander aufnehmen.
Der unnatürlich Zustand, dass wir, die wir die Deutschen
lehren müssten, sich auf ihr besseres Selbst zu besinnen,
des Kontaktes mit ihnen beraubt sind, muss ein Ende nehmen.«
[Thomas Mann 1939 an seinen Bruder Heinrich]

In den USA wird Thomas Mann notgedrungen auch zu einem politischen Schriftsteller und Zeitgenossen. Das zeigt das obige Zitat aus einem Brief, den er aus Princeton im Mai 1939 an seine Bruder Heinrich schreibt und in dem es weiter heißt: »Neben unsern eigensten Aufgaben, […], gibt es unsere Pflicht und Schuldigkeit, unsern Einfluss auf die Deutschen zu nutzen. Nur wenn die Deutschen mit Hitler ein Ende machen, kann der Krieg vermieden werden. […]. Die Deutschen müssen zur Raison gebracht werden und wer soll es tun, wenn wir schweigsam bleiben?«

Auf Anfrage der British Broadcast Company, der BBC, erklärte sich Thomas Mann schließlich bereit, über Radioansprachen mit seinem deutschen Publikum, das keinen Zugang mehr zu seinen Büchern hatte, wieder in Kontakt zu treten, zumindest mit denen, die sich über das Verbot der Nazis, Feindsender zu hören, unter großer Gefahr hinwegsetzten.

In den über 50 Radioansprachen, die zwischen Oktober 1940 bis weit in Frühjahr 1945 aus Kalifornien über die BBC in London nach Nazi-Deutschland ausgestrahlt wurden, lernten die deutschen Zuhörer, die zu Beginn jeder Ansprache von Thomas Mann als »Deutsche Hörer!« angerufen wurden, einen engagierten, manchmal empörten und manchmal flehenden, manchmal wütend warnenden und manchmal ans Gewissen appellierenden Schriftsteller kennen, der die Verbrechen der Nazis klar benennt und auch über die Gräuel aufklärt, die an der jüdischen Bevölkerung in ganz Europa begangen werden. Er stellt Propagandalügen richtig und beschimpft Hitler auf das Wüsteste, bezeichnet den Diktator als eine »blutige Nichtigkeit von einem Menschen«, bescheinigt ihm einen »intellektuellen und moralischen Minderwert« und nennt ihn einen »Verhunzer des Wortes, des Denkens und aller menschlichen Dinge«. Für Thomas Mann war das nationalsozialistische Deutschland nicht identisch mit dem Deutschland, das für christlich-abendländische Werte steht und dem er sich selbst zugehörig fühlte.

Thomas Manns Hausverlag, dem Frankfurter S. Fischer Verlag, ist es zu verdanken, dass seit diesem Jahr seine Radioansprachen, versehen mit einem glänzenden Vor- und Nachwort der Autorin Mely Kiyak, wieder vollständig vorliegen. In einer Zeit, in der das Geschrei rechter Populisten und Autokraten wieder erschreckend laut geworden ist, hört man dabei die Aktualität Manns aus jeder seiner Zeilen sprechen.

Thomas Mann kehrte erst 1952 in die Schweiz zurück und starb 1955 in Zürich.

»Ich kann mit Thomas Manns Vorstellung vom Künstlersein viel anfangen. Mit seiner Art, voller Phantasie und Lust Geschichten zu erzählen, war er ein Schriftsteller der Freiheit. Mit seinen politischen Texten, in denen er dem Faschismus und dessen törichter Sprache mit dem gesamten Besteckkasten der Schimpf- und Schmähpoesie begegnet, war er ein Schriftsteller der Diktatur. Das politische und das poetische Schreiben sind zwei Facetten eines Berufes. Es gibt eine Zeit der Schönheit und der Kunst, in der man sich schöpferisch formt, und eine Zeit des Engagements, in der man sich einschalten muss, weil man nicht anders kann. Weil Politik vor der Vernichtung des Menschen immer erst den Sprachmissbrauch betreibt. Gerade weil Schriftstellerinnen und Schriftsteller die Macht der Sprache kennen, dient die Einmischung nicht nur der Menschheits- und Menschlichkeitsverteidigung, sondern auch der Verteidigung der Sprache.«
[Die Autorin Mely Kiyak im Nachwort von Thomas Manns »Deutsche Hörer!«]


Eric Schaal/Weidle Verlag

Thomas Mann (1875 – 1955)