Tomasz Różycki
[Dichter, Schriftsteller / Polen]
stellt seinen Roman Die Glühbirnendiebe [2024] und den Essay Feuerprobe [2025] vor.
Gesprächsübersetzung: Bernhard Hartmann
Deutsche Lesung: Thomas Streipert

(TISCHGESPRÄCH I: Samstag, 30. August 2025 / Beginn: 17.00 Uhr / AQUA MAGICA-Park)

 

»Dieses Buch hat das Potential, zum europäischen Klassiker zu werden.«
[Yelizaveta Landenberger, Frankfurter Allgemeine Zeitung]

»Nun ist es aber so, wenn man langsam geht, gemessenen Schrittes,
dann hat der Geist mehr Freiheit und Zeit für sich.«
[Tomasz Różycki]

Tomasz Różycki, der von vielen in Polen als der wichtigste Dichter seiner Generation angesehen wird, wurde 1970 in der oberschlesischen Stadt Opole geboren. Seine Familie stammte ursprünglich aus der Ukraine, aus Lemberg, und musste zwangsweise nach Schlesien umsiedeln, das durch die Grenzveränderungen Polens nach dem Zweiten Weltkrieg zum Schauplatz von Vertreibungen und Umsiedlungen wurde. Wie tausende von Menschen wurde auch Różyckis Familie gezwungen, in Wohnungen zu ziehen, die von den vormaligen deutschen Besitzern verlassen worden waren. Die Auseinandersetzung mit dieser Herkunft, in der Fremdheit und Heimatlosigkeit die bestimmenden Hintergrundgefühle sind, zieht sich nicht nur durch das dichterische Werk Różyckis, sondern war vermutlich auch Ausgangspunkt für seinen umfangreichen Essay Feuerprobe. Die trügerische Kartographie Europas. Der Essay mutet wie ein Karteikasten an, in dem Różycki auf 130 Karten eine sehr persönlich Landkarte Europas als übergreifenden kulturellen Raum ausbreitet, der sich über zeitliche und geographische Grenzen hinweg erstreckt und von Lissabon und Paris bis Lemberg und Sofia sowie darüber hinaus reicht. In Polen hat er dafür im Jahr 2020 den Titel »Botschafter des neuen Europa« erhalten.

Różyckis Roman Die Glühbirnendiebe wurde 2023 mit dem europäischen Literaturpreis Le Grand Continent ausgezeichnet. Die Handlung spielt in einem riesigen Plattenbau-Wohnblock Anfang der 1980er Jahre in Zeiten des Kriegsrechts und der Mangelwirtschaft in Polen. Erzählt wird der Roman aus er Perspektive des erwachsenen Tadeusz, der sich an seine Kindheit erinnert. Es ist ein phantastisches Spiel zwischen Imagination und Realität, das Różycki entfaltet, in dem er den pubertierenden Tadeusz mit ausnahmsweise erworbenen Kaffeebohnen über den unendlich langen Dachbodenkorridor des Plattenbaus, in dem Gauner stets die Glühbirnen stehlen und antike Götter die Bewohner zur Pyromanie anstiften, schickt, um sie beim Nachbarn Stefan mahlen zu lassen, weil dieser als einziger eine Kaffeemühle besitzt. Der marode Wohnblock mit rissigen Zementfußböden und einem versifften Fahrstuhl, der sich wie ein mythischer Riese im spätkommunistischen Realsozialismus mal dehnt und wieder schrumpft, ist dabei eine Metapher für die beklemmende Existenz des Menschen im Universum der Modernität, die Tadeusz sich nur mit der Lehre des vorsokratischen Philosophen Heraklit erklären kann: »Panta rhei, alles fließt und man kann nicht zweimal ins selbe Wasser steigen, …« Durch Tomasz Różyckis Roman schwimmt man hingegen mit großem Vergnügen.

 


David Tolley

Tomasz Różycki