Bachtyar Ali

Bücher u.a.: Das Lächeln des Diktators [2022; Essay], Mein Onkel, den der Wind mitnahm [2021; Roman]

(Das Tischgespräch: Sonntag, 27. August 2023 / Beginn: 16.30 Uhr /)

Bachtyar Ali, geboren 1966 im nordirakischen Sulaimaniya, ist der bekannteste Schriftsteller des autonomen irakischen Kurdistan. Bei Studentenprotesten 1983 geriet er in Konflikt mit dem Regime Saddam Husseins und brach sein Studium ab. In seinem Essayband Das Lächeln des Diktators beschreibt er, wie er sich anschließend den Büchern widmete und wie das Lesen von bedeutender Literatur, und das hieß im Irak und Iran auch gleichzeitig zumeist verbotener Literatur, zu einem Lebensinhalt für ihn und seine Freunde wurde, dem er viel opferte, dem er aber auch den Beginn des eigenen Schreibens auf Kurdisch, seiner ersten Sprache, verdankte. Seit Mitte der 1990er Jahre lebt Ali in Deutschland, wo er 2017 mit dem Nelly-Sachs-Preis ausgezeichnet wurde. Das Kurdische, »jene persönliche Sprache, durch die ich zum ersten Mal die Welt zu hören bekam«, erhielt für ihn in Deutschland nochmals eine andere Bedeutung: »Im Exil wurde aufgrund der Entfernung zu Kurdistan aus dem Schreiben eine Art innerer Monolog.« Mit Blick darauf formuliert Ali für sich ein Zitat Martin Heideggers um: »Wenn das Sein ein Haus besäße, dann wäre dies die erste Sprache.« Sein Sprachhaus, »in dem er das Politische mit dem Poetischen zu einer einzigartigen Erzählsprache verbindet«, wie Martin Ebel in der Süddeutschen Zeitung über ihn schrieb, öffnet Ali für die Leserinnen und Leser aus folgendem Grund:

»Ich schreibe, um die Grenzen der Realität zu durchbrechen. Ich schreibe, um die Bedeutung der Freiheit von politischen Illusionen zu befreien. Mich frei zu fühlen und für diese Freiheit zu kämpfen, ohne politisch aktiv zu sein, war immer ein Ziel meiner schriftstellerischen Arbeit«, sagte Bachtyar Ali 2018 in einem Gespräch mit qantara.de, einem Online-Portal, dessen Ziel der Dialog mit der islamischen Welt darstellt.

Nach Freiheit und Identität sucht deshalb auch der Protagonist Djamschid Khan in Bachtyar Alis jüngstem Roman Mein Onkel, den der Wind mitnahm. Erneut verbindet Ali hier existentielle Fragen seiner Figuren mit den politischen Zuständen der sie umgebenden Welt. Der Wind ist dabei das Synonym für den benjaminschen Engel der Geschichte, der auf Djamschid Khan einstürmt und ihn immer wieder in die Höhe mitreißt, um ihn gleich darauf wieder fallen zu lassen. Für Ali ist dies ein bedauerliches Abbild das gesamten Orients, dem er bescheinigt, kein politisches Konzept und deswegen auch keine politische Perspektive zu haben. Für den einzelnen Menschen im Orient sei dies »ein unmenschlicher Zustand«, weil er »seine ganze Lebenskraft in sein Überleben investieren muss. Dadurch sind wir ständig vom wahren Leben abgelenkt!«

»Seine traumhafte poetische Sprachumsetzung macht die Lektüre seiner Bücher zu einem sprachlichen Hochgenuss. Sie sind Solitäre in der Buchlandschaft.«
[Rezension zu „Mein Onkel, den der Wind mitnahm“ auf literaturgarage.de]


Bachtyar Ali