Roberta Dapunt
Buch: Synkope/Sinkope [2021]
(Die Autorenbegegnung II: Samstag, 26. August 2023 / Beginn: 19.30 Uhr / Einlass: 18.45 Uhr)
»denn die Stille, sie ist Sprache aller Sprachen, umfassende Verständigung, ruhend auf dem Wunsch, zu verstehen und verstanden zu werden.«
Roberta Dapunt
Aus der Zugehörigkeit zu ihrer Landschaft und aus der Zugehörigkeit zu ihren Sprachen – das Ladinische und das Italienische – entstehen die Gedichte von Roberta Dapunt. Es sind Gedichte, die sich der Endlichkeit des menschlichen Körpers bewusst sind und gleichzeitig die Sprache als einen eigenen Körper begreifen, aus dem »die Substanz meiner Gedanken« hervorgeht. Körperlichkeit und Mitwelt verbinden sich bei Dapunt auf einzigartige Weise, über die es in der römisch-katholischen Tageszeitung Italiens Avvenire heißt: »Diese Gedichte graben sich in die Seele ein wie Widerhaken.« Dabei geschieht in ihnen nichts anderes als die stille Wahrnehmung der Mitwelt und des eigenen, zerbrechlichen Daseins inmitten der Natur und der selbstgewählten ländlichen Umgebung, in der das Leben stattfindet umgeben von einer Welt, in der der Verlauf der Geschichte nicht stillsteht.
Roberta Dapunt, 1970 in Abtei/Badia in Italien geboren, lebt zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler Lois Anvidalfarei, auf einem Bauernhof in Ciaminades im Hochgadertal, dem ladinischen Sprachgebiet Südtirols. Der Titel ihres Gedichtbandes Sincope, auf Deutsch Synkope, bezeichnet in der Medizin einen plötzlichen, kurzzeitigen Verlust des Bewusstseins, dem aber in der Regel eine spontane Erholung folgt. Ähnliches trifft auf die Gedichte Dapunts zu, die plötzlich Unerwartetes, eine kurze Störung hervorrufen, gefolgt von einem Gefühl des Einverständnisses.
In einem Ausstellungskatalog des mit ihr befreundeten aber bereits verstorbenen Künstlers Markus Vallazza schrieb Dapunt einen Text, der auch als Beschreibung ihrer eigenen Lyrik gelesen werden kann: »In seinem Werk habe ich immer die Parallele eines Ausdrucks in Versen gespürt, die kontinuierliche Bewegung eines Gedichts, das sich selbst ankündigt und verleugnet […]. „Es ist schön, daran glauben zu können, dass die Fähigkeit existiert, das Unendliche zu verstehen. Wenn auch unter göttlichen Bedingungen und zum Nachteil für die Bedingung des Menschseins. Auch die Unvollkommenheit ist schön. Ich persönlich ziehe sie vor, ja, ich neige zur Unvollkommenheit. Die schwache und diffuse menschliche Natur, die uns so viel interessanter und vor allem so zahllos macht. Eine grenzenlose Menge an Unvollständigkeit, Anomalie, Verletzlichkeit, Schwäche. An Sündhaftigkeit. Kurzum, eine Unzulänglichkeit auf der Suche nach dem Unmöglichen. Aber all dies darf uns nicht den Mut nehmen, noch dürfen wir heute unseren guten Willen zur höchsten Vollkommenheit aufgeben.«
»In diesem Buch, dessen Titel bereits eine Poetik umreißt, wimmelt es von überfüllten Details. In einem ständigen Kommen und Gehen zwischen dem Heidnischen und dem Heiligen. Das Verb wird Fleisch, das Fleisch wird Verb.«
[Avvenire]

Daniel Töchterle