Matthias Bormuth
[Ideenhistoriker, Kulturwissenschaftler]
(Sonntag, 25. August 2024 / Beginn: 11.30 Uhr / Einlass: 11.15 Uhr / AQUA MAGICA-Park / Das Sonntagsgespräch – Forum für Demokratie)
Bücher u.a.: Schuld und Freiheit. Zur geistigen Situation nach 1945 [2023]; Das Geisterreich. Kant und die Folgen [2021]; Hannah Arendt: Freundschaft in finsteren Zeiten [2018; als Hrsg.]; Hannah Arendt: Sokrates. Apologie der Pluralität [2016]
»Zudem begegnen uns heute kaum noch Leute, die die Wahrheit zu haben glauben; stattdessen sind wir ständig mit solchen konfrontiert, die überzeugt sind, recht zu haben.«
[Hannah Arendt in Gedanken zu Lessing. Von der Menschlichkeit in finsteren Zeiten]
Der Ideenhistoriker und Kulturwissenschaftler Matthias Bormuth, 1963 geboren, studierte in Marburg und Göttingen Humanmedizin und promovierte über Karl Jaspers. Seit 2012 ist Bormuth Inhaber der Heisenberg-Professur für Vergleichende Ideengeschichte an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Er war Mitbegründer der Karl Jaspers Gesellschaft, ist deren Vorsitzender und zudem Leiter des Karl-Jasper-Hauses sowie der dort eingegliederten „Forschungsstelle Hannah Arendt-Zentrum“. Bormuth edierte Werke von Hannah Ahrendt, Erich Auerbach, Karl Jaspers und Max Weber und veröffentlichte zahlreiche eigene Monografien, zuletzt das Buch Die Kunst des Fragens [2024], in dem Bormuths Essay und Porträts erneut eine vermittelnde Position zwischen den Bereichen Wissenschaft, Literatur, Philosophie und Politik einnehmen. Ganz im Sinne der Ideengeschichte zielt Bormuths Interesse auf die schwankenden Bewusstseinsspiegelungen des modernen Individuums, das Freiheit und Sinn seines Lebens in den Krisen der Zeit sucht, von denen es gegenwärtig überschwemmt zu werden scheint.
Im Mittelpunkt seines Denkens steht dabei die Auseinandersetzung mit der Philosophie Karl Jaspers und eng damit verbunden das Denken ohne Geländer Hannah Arendts, deren beider Aktualität sich in Krisenzeiten immer wieder zeigt, wie der folgende Auszug aus Karl Jaspers Dankesrede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandles von 1958 (!) beweist:
„Niemand weiß, was die Welt im Ganzen ist, wohin sie geht. Die Reinheit dieses Nichtwissens ermöglicht erst, was wir Wahrheit nennen oder Vernunft […]. Dass wir auf dem Weg zur Wahrheit sein können, genügt, um Mut zu gewinnen durch den Zusammenhang, von dem wir ausgingen: Friede ist nur durch Freiheit, Freiheit nur durch Wahrheit möglich. Daher ist die Unwahrheit das eigentlich Böse, jeden Frieden Vernichtende: die Unwahrheit von der Verschleierung bis zur blinden Lässigkeit, von der Lüge bis zur inneren Verlogenheit, von der Gedankenlosigkeit bis zum doktrinären Wahrheitsfanatismus, von der Unwahrhaftigkeit des einzelnen bis zur Unwahrhaftigkeit des öffentlichen Zustandes. Das letzte Wort bleibt: Die Voraussetzung des Friedens ist die Mitverantwortung eines jeden durch die Weise seines Lebens in Wahrheit und Freiheit; die Frage des Friedens ist nicht zuerst eine Frage an die Welt, sondern für jeden an sich selbst.“
Angesichts dieses Zitats stellt sich die Frage, wie geistig-moralische Zielsetzungen in der Gesellschaft verteidigt werden können, wenn das Erstarken von Interessen und Interessengruppen bestimmte Freiheiten wieder infrage stellt.
Universität Oldenburg