Joachim Radkau

Bücher u.a.: Geschichte der Zukunft. Prognosen, Visionen, Irrungen in Deutschland von 1945 bis heute [2017]; Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte [2011]; Max Weber. Die Leidenschaft des Denkens [2005]

(Das Sonntagsgespräch – Forum für Demokratie / Sonntag, 27. August 2023 / Beginn: 11.30 Uhr / Einlass: 10.30 Uhr)

»Aus der Geschichte erkennt man, dass es den historischen Augenblick gibt, wo das Trägheitsmoment bestehender Strukturen durchbrochen wird und manches möglich wird, was bis dahin als unmöglich galt. Das beste „Nutzen der Historie für das Leben“ besteht vielleicht darin, den Blick für derartige historische Augenblicke in der eigenen Gegenwart zu schärfen. Wer weiß, vielleicht erleben wir einen solchen Augenblick schon bald.«
[Joachim Radkau, Die Ära der Ökologie. Eine Weltgeschichte]

In seiner jeweiligen Gegenwart hat der Mensch kein Wissen über die Zukunft. Er kann sich nur Vorstellungen von Entwicklungen machen, deren Wahrheitsgehalt aber auch erst von den Menschen einer zukünftigen Gegenwart bezeugt werden können. Aus der Geschichte lernen heißt deshalb stets, seine Unwissenheit über zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen anzuerkennen. Um überhaupt Prognosen abgeben zu können, ist es notwendig, die Vergangenheit zu überprüfen und die Gegenwart genau zu beobachten. Das unternimmt der Historiker Joachim Radkau in seinen Büchern und stellt dabei die wichtige Frage, was das Eingeständnis der Erkenntnis einer ungesicherten Zukunft für die gegenwärtige Gesellschaft und ihre Akteure in den Bereichen der Politik, Kultur, Wissenschaft, Bildung, und Wirtschaft und auch für die Bürger einer gesellschaftlichen Ordnung wie der Demokratie bedeutet, die wie die europäische Gesellschaft um die Wende zum 20. Jahrhundert wiederum von großer Nervosität befallen zu sein scheint.

Mit Blick auf die heute seitens der Politik nicht ohne dramatische Wirkungsabsichten so genannte „Klimapolitik“, nannte Radkau gegenüber der Neuen Westfälischen drei Punkte, in denen für ihn eine zukunftsgerichtete Hoffnung liege: »Entscheidendes wird durch drei Innovationen erreicht, die eine durchaus realistische Chance haben: Erstens: Solarenergie überall. Zweitens: dichte Netze von Radwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln […]. Drittens: Anti-Baby-Pille gratis für die Armen der Dritten Welt.« In seinem Buch Geschichte der Zukunft betont er die Bedeutung eines weiteren gesellschaftlichen Feldes, das von der Politik, egal welcher Regierung, in den vergangenen Jahren sträflich vernachlässigt wurde: Bildung, denn Zukunftspolitik ist Bildungspolitik, wenn unter Zukunft Jugend verstanden wird.

Joachim Radkau, geboren 1943 in einem Pfarrhaus zu Oberlübbe im heutigen Hille (Kreis Minden-Lübbecke), war von 1980 bis 2009 Professor für Neuere Geschichte an der Universität Bielefeld. Er habilitierte 1981 bei dem Historiker Hans-Ulrich Wehler mit einer Studie über Aufstieg und Krise der deutschen Atomwirtschaft. Für sein Lebenswerk erhielt er 2012 den Umwelt Medienpreis. Radkau zählt zu den bekanntesten Umwelthistorikern Deutschlands.


Privat

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