Giosuè Calaciura
[Schriftsteller]
(Sonntag, 25. August 2024 / Beginn: 14.00 Uhr / Ort: AQUA MAGICA-Park / Lesungen und Gespräche am Nachmittag)
Roman: Ich, der Sohn [2024]
„Geboren wurde ich in Bethlehem, vor dreißig Jahren“, lässt Giosuè Calaciura seinen Ich-Erzähler im Roman sagen. Sein Name ist Jesus und er blickt auf sein Leben in einem Land zurück, das von der römischen Besatzung, Hungersnöten, vielfachen Verheerungen gebeutelt ist. Als Kind war er mit den Eltern auf der Flucht, über seinem Heranwachsen schwebt ein Geheimnis, mit dem auch das plötzliche Verschwinden seines Vaters Josef zusammenhängt. „Warum hast du mich verlassen, Vater“, ist eine wiederkehrende Klage. Also begibt sich Jesus schließlich auf eine abenteuerliche Wanderschaft auf der Suche nach seinem Vater, auch um herauszufinden, ob es stimmt, was die Verwandten munkeln: Dass seine schweigsame junge Mutter, die unausgesprochen große Erwartungen an ihn hat, von einem römischen Soldaten vergewaltigt wurde und er gar nicht der Sohn seines Vaters ist.
Dabei führt Calaciura seinen empfindsamen, verletzlichen Protagonisten an Grenzen und darüber hinaus. Er lässt ihn einerseits das glühende Erwachen der Liebe als Mitglied einer Gauklertruppe kennenlernen und lässt ihn andererseits auf die frömmelnde Duckmäuserei der Erwachsenen, die grausame Ängstlichkeit der Herrschenden und den Fanatismus als Grundübel stoßen. „Ich glaubte nicht an Gott. Auch den Glauben an die Menschen hatte ich verloren“, sagt sich Jesus voller Verzweiflung im Angesicht einer Gruppe von Gläubigen, die sich rituellen Handlungen hingibt.
Ich, der Sohn ist ein eindringlicher, sprachmächtiger Roman über einen, der vom Glauben abfällt, auch von dem Glauben an die Menschen, und der dennoch versucht, Mensch zu bleiben, die Schönheit zu sehen und die Hoffnung trotz allem nicht aufzugeben.
Giosuè Calaciura wurde 1960 in Palermo geboren. Von Beruf ist er Journalist, hat aber nach Schließung der sizilianischen Tageszeitung L`ORA als Koch gearbeitet. Heute ist er wieder als Journalist unter anderem für das italienische Staatsfernsehen Rai 3 tätig und inzwischen als preisgekrönter Autor bekannt. Nach seiner schriftstellerischen Intention gefragt, antwortete Calaciura: „Auf den historischen Märkten in Palermo wurde ich mir der Dringlichkeit bewusst, einer Menschheit, die kein Gehör findet, als Erzähler eine Stimme zu geben.“
Sein Werk ist ins Spanische und Französische übersetzt. Auf Deutsch liegt bereits der Roman Die Kinder des Borgo Vecchio im Aufbau Verlag vor, für den er in Italien den Premio Volponi erhielt. Calaciura lebt mit seiner Familie in Rom.
»… das was Calaciura interessiert, ist im Wesentlichen die Erforschung der Zeit, in der die Realität unseres Lebens so vielschichtig ist wie ein Abenteuerroman, wie in Stevensons „Die Schatzinsel“: das ist der einzige Glaube, an dem wir festhalten können, scheint er zu suggerieren.«
[Christian Raimo, La Stampa]
