Clemens Meyer

[Schriftsteller]

(Sonntag, 25. August 2024 / Beginn: 16.30 Uhr / Ort: AQUA MAGICA-Park / Das Tischgespräch II)

Roman: Die Projektoren [2024].

Der 1977 in Halle an der Saale geborene Clemens Meyer wuchs in einem Arbeiterviertel im Leipziger Osten auf. Kurz vor Zusammenbruch der DDR, nahm ihn seine Mutter regelmäßig mit zu den Montagsdemonstrationen. Die frühe Nachwendezeit war durch Kleinkriminalität, Alkohol, Drogen, Gewalt und auch von Gefängnisaufenthalten geprägt. Trotz dieser Erfahrungen schaffte Meyer 1996 das Abitur und studierte zwischen 1998 und 2003 am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig. Das Studium finanzierte er mit einfachen Arbeiten und mit Stipendien. Die ersten Jahre als Schriftsteller verbrachte er in kärglichen Verhältnissen und zum Teil mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe. Dennoch gelang ihm gleich mit seinem ersten Roman Als wir träumten im Jahr 2006 sein schriftstellerischer Durchbruch.

Seinen unbedingten Weg zur Schriftstellerei beschreibt Meyer in der Dankesrede zur Entgegennahme des Bremer Literaturpreises 2014 wie folgt: „Noch lange könnte ich weiterreden über die Literatur, die mein Leben ist. Für die ich bereit bin, jedes Risiko einzugehen, Wagnisse, in Stil, Struktur, Plot. Und weit darüber hinaus.“ Heute gehört der inzwischen vielfach ausgezeichnete Clemens Meyer zu den bekanntesten zeitgenössischen Autoren in Deutschland, eben weil er dieses Risiko eingegangen ist.

Im Jahr 2015 war Meyer im Rahmen eines Stipendiums und danach noch mehrere Male in Serbien und Novi Sad. Seine damaligen Recherchen flossen nicht nur in den schmalen Roman Nacht im Bioskop von 2020, sondern dienten auch als Grundlage für sein bisher größtes Romanprojekt, das unter dem Titel Die Projektoren fast zeitgleich zu den Poetischen Quellen erscheinen.

Dieser neue epische Roman von Clemens Meyer beschreibt eine tief im Mythologischen angesiedelte Gegenwart, in der Gewalt die Dinge ins Rollen bringt. Zentrales Thema ist die Geschichte Europas nach dem Zweiten Weltkrieg und das Auseinanderfallen von Staaten und Biografien. Die Erzählzeit umfasst den deutschen Angriff auf Belgrad im Jahr 1941, erzählt die deutsche Teilung, nimmt die Jugoslawienkriege in den Blick und konkretisiert die politische Gegenwart anhand einer Figur, die in der DDR der achtziger Jahre und in der BRD der Neunziger zum Neonazi wird. Eine weitere Hauptfigur, die im jugoslawischen Partisanenkrieg traumatisiert wird und in den sechziger Jahren in die Dreharbeiten der Winnetou-Filme im Velebit-Gebirge gerät, erlebt die ehemaligen Drehorte Jahrzehnte später als Schauplätze des Kroatienkriegs. Wie in jedem Epos schließt sich an den mythischen Orten der Menschheit, in dem Falle des kollektiven Bildarchivs des Films, ein erzählerischer Kreis.

»Wie heilsam wäre es […], einfach einmal Clemens Meyer selbst zu lesen. Und nicht wenige wären verwundert über Meyers poetische Präzision, über seine Sanftheit und Empathie und seine Menschenfreundlichkeit, die nie zu einer bloßen Geste verkommt.«
[Wiebke Promka, DIE ZEIT]


Gaby Gerster

Clemens Meyer